Wut. Verzweiflung.
Die kleine Tochter hat es zur Zeit nicht leicht. Ich weiß nicht, was sie hat, warum sie so reagiert und auch nicht, wie ich ihr helfen kann.
Das ganze hatten wir schon mal vor ein paar Monaten, über Weihnachten wurde es besser und seit etwa zwei Wochen wird es wieder schlechter. Sie bekommt (ich nenne es hier jetzt einfach so) Wutanfälle. Auch wenn ich inzwischen gar nicht mehr glaube, dass es wirklich Wut ist, die sie so sein lässt.
Beispielhafte Situationen:
1. Vorm Schlafen gehen. Ich möchte, dass sie nochmal auf WC geht.
2. Morgens. Ich möchte, dass sie sich Stiefel und Jacke anzieht, weil wir raus müssen.
3. Sie steht in der Küche und mag ins Kinderzimmer .
Alternativ: sie steht auf der Stiege und mag runter.
Es passiert:
1. Ich sage ihr, dass wir schlafen gehen und sie bitte nochmal aufs WC zu gehen. Sie sagt, sie mag nicht, geht aber mit mir hin. Da stehen wir dann. Ich warte, sie beginnt zu weinen. Sie möchte nicht aufs Klo gehen. Ich sage, es müsse sein, weil wir schlafen gehen und sie schon lange nicht mehr war. Sie weint. Sie brüllt. Ich stehe da und warte. Ich wiederhole ab und zu ganz ruhig was ich möchte. Ich gehe nicht weg, weil sie sonst wegrennt. Nach Minuten setzt sie sich doch hin und macht, was sie machen soll. Hört auf zu weinen, spricht mit mir. Ich gebe ihr die Hand, will mit ihr rausgehen, da lässt sie sich wieder auf den Boden fallen und beginnt zu weinen.
2. Es ist 7.40 Uhr. Wir müssen das Haus wegen eines Termins um 8:30 Uhr verlassen. Ich kündige an, dass wir bald gehen müssen. Um 8:00 Uhr bitte ich sie das erste mal, sich die Stiefel anzuziehen. Ich wiederhole es mehrmals. Um 8:25 Uhr fange ich an, den Sohn langsam anzuziehen, meine Tasche zu suchen, mich anzuziehen. Die Tochter sitzt im Bad am Boden und schaut zu, keine Reaktion auf meinen Hinweis, dass wir gehen müssen. Ich bringe alles (Sohn, Taschen und ihre Stiefel und Jacke) ins Auto und sage ihr (leicht oder weniger leicht genervt), dass ich sie jetzt so ins Auto mitnehmen muss.
Diese Situation gab es in den letzten Wochen zweimal. Beim ersten mal mit Gebrüll ab dem Moment wo ich sie ins Auto gebracht habe, beim zweiten mal erst beim Aussteigen, als sie die Stiefel anziehen musste.
3. Sie „kann“ plötzlich nicht mehr gehen und möchte getragen werden. Zum Beispiel waren wir in der Küche, der Mann hatte den Sohn am Arm (die Situation gibt es aber auch, wenn der Sohn schläft und wir zwei alleine sind) und hat zu ihr gemeint, sie könnten ja jetzt ins Kinderzimmer gehen um ein Buch anzuschauen. Sie beginnt zu weinen, weil sie nicht alleine dort hin gehen kann. (Sagt sie aber nicht. Das findet man später raus. Sie sagt gar nichts. Steht nur da und weint.)
Es endet alles mit Gebrüll und Weinen. Und ich weiß nicht, wie ich da raus komme.
Bei Situation 3 bin ich vor kurzem drauf gekommen, dass es hilft, wenn ich sie fest halte. Sie ist in dem Fall doch dem Mann nachgegangen, das Weinen wurde aber immer schlimmer und verzweifelter, also bin ich nachgegangen und habe sie umarmt. Ganz fest. Sie hat noch 30 Sekunden geweint und auf einen Schlag war es aus. Alles wieder gut und sie hat sich mit mir unterhalten. (Es kommt hier nicht raus, dass sie wirklich total verzweifelt ist. Vielleicht steigert sie sich schnell rein, weil sie nicht ihren Willen durchsetzen kann – ich weiß es nicht – aber sie war in dieser Situation zutiefst verzweifelt.)
Wir haben inzwischen also schon manche dieser Anfälle abschwächen oder verkürzen können, weil ich sie in den Arm genommen habe. Das geht aber nicht immer. Wie in Fall 2, als ich beim Aussteigen aus dem Auto auch noch ihren Bruder, zwei Taschen, eine Jacke und eine Haube tragen musste.
* Ich versuche ruhig zu bleiben und schaffe es sehr lange (nicht lange genug und nicht immer, aber anscheinend so lange, dass mich schon einige darauf angesprochen haben).
* Ich versuche ihr Zeit zu geben (aber irgendwann ist auch mal gut. Laut Herrn Juul gibt es zu wenig Zeit ja nicht, nur schlechte Planung. Aber ob er 2 Stunden Zeit als Puffer gemeint hat um das Haus zu verlassen?). Und es gibt auch andere Personen hier im Haus (im konkreten Fall den jüngeren Bruder, der nicht alles seine Bedürfnisse nur nach der Schwester ausrichten kann.)
* Ich versuche sie wissen zu lassen, was passieren wird oder was man erwartet. Und ich lenke sie nie à la „schau mal, da ist ein Hund“. (Der Mann meinte ja, dass mein Umarmen ablenken sei. Ich habe gehofft, es ist das, was Herr Juul zum Thema „Trotzalter“ geschrieben hat. Frei wiedergegeben: Die Kinder wissen nicht was sie wollen oder brauchen, sie merken nur, irgendwas ist nicht so, wie sie es gerne hätten und deswegen müssen wir als Eltern rausfinden was es ist. Im Fall der Tochter also Körperkontakt, Liebe.)
Meistens kriegt sie einen Anfall, wenn man ihr beim Anziehen helfen will, manchmal aber, weint sie, wie man später drauf kommt, weil sie plötzlich nicht mehr selbst die Stiefel anziehen kann und man ihr helfen MUSS. Manchmal weint sie, weil man ihr helfen sollte, die Strumpfhose aber 1 cm zu weit hochgezogen hat. Da kann sie nicht sagen, dass sie das nicht mag, da wird dann 10 Minuten gebrüllt.
Das Kind ist eine wandelnde Bombe und wird – leider – auch schon so behandelt. Jede Bewegung könnte sie hoch gehen lassen.
Nur um es gesagt zu haben. Nicht ruhig zu bleiben, selbst zu explodieren, hilft auch nichts. Im Gegenteil.
Kann mir das bitte jemand analysieren? Mache ich alles falsch?